Literatur-Update Implantologie & Parodontologie
Einleitung:
Alle 6 – 8 Wochen stellen wir Ihnen aktuelle wissenschaftliche Publikationen aus der Implantologie und Parodontologie vor. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse kompakt zusammen und zeigen, was diese Ergebnisse konkret für die tägliche Praxis bedeuten – mit direktem Mehrwert für unsere überweisenden Kolleginnen und Kollegen.Ätiologie und Prävention der Periimplantitis – Evidenzbasierte Übersicht aktueller Literatur
Autorin: Dr. Leyli Behfar, Hamburg
Abstract
Periimplantitis ist eine entzündliche Erkrankung der periimplantären Gewebe, die mit fortschreitendem Knochenverlust einhergeht. Aufgrund der hohen Prävalenz – etwa 20 % der Implantatpatienten und bis zu 10 % der Implantate – stellt sie eine zentrale Herausforderung der modernen Implantologie dar. Ziel dieser Übersicht ist es, die aktuelle Evidenz zur Ätiologie und Prävention der Periimplantitis darzustellen und praxisrelevante Empfehlungen abzuleiten. Die Literatur zeigt, dass die Pathogenese multifaktoriell ist: Biofilm-induzierte Entzündungsreaktionen gelten als primäre Ursache, während patientenspezifische Faktoren wie Parodontitisanamnese, Rauchen und Diabetes das Erkrankungsrisiko zusätzlich verstärken. Lokale iatrogene Einflüsse, etwa Zementreste, ungünstige prothetische Designs oder ein Mangel an keratinisierter Mukosa, tragen wesentlich zur Krankheitsentstehung bei. Prävention erfordert daher eine Kombination aus systemischem Risikomanagement, optimiertem chirurgisch-prothetischem Vorgehen, Weichgewebsmanagement und strukturierter Nachsorge (Supportive Peri-Implant Care, SPIC).
Einleitung
Seit der Etablierung dentaler Implantate als fester Bestandteil der prothetischen Versorgung hat sich die Zahl eingesetzter Implantate stetig erhöht. Parallel dazu rückt das Thema periimplantärer Erkrankungen in den Fokus. Während periimplantäre Mukositis als reversible Vorstufe gilt, ist die Periimplantitis durch irreversible Knochenverluste gekennzeichnet, die bei Fortschreiten zum Implantatverlust führen können. In systematischen Übersichtsarbeiten wird die Prävalenz von Periimplantitis auf etwa 20 % der Patienten geschätzt (Derks & Tomasi 2015). Diese Zahlen verdeutlichen, dass präventiven Strategien eine zentrale Rolle zukommt.
Ätiologie
Die Ätiologie der Periimplantitis ist multifaktoriell. Primär handelt es sich um eine biofilminduzierte Entzündung, die eine überschießende Immunantwort mit konsekutivem Knochenabbau auslöst (Berglundh et al. 2018). Ohne bakterielle Beläge entwickelt sich keine Periimplantitis.
Darüber hinaus sind patientenspezifische Risikofaktoren entscheidend. Eine anamnestische Parodontitis stellt den stärksten Prädiktor dar (Sanz et al. 2020). Rauchen ist mit einer signifikant höheren Prävalenz und einem schnelleren Krankheitsverlauf assoziiert (Heitz-Mayfield & Salvi 2022). Unkontrollierter Diabetes wirkt über eine verschlechterte Immunabwehr und Wundheilung als Risikofaktor (Monje et al. 2017).
Lokale Faktoren tragen erheblich zur Krankheitsentstehung bei. Studien belegen einen klaren Zusammenhang zwischen Zementresten und periimplantären Entzündungen (Wilson 2009; Linkevicius 2013). Auch eine geringe Breite keratinisierter Mukosa (< 2 mm) korreliert mit erhöhter Plaqueakkumulation, verstärkter Entzündung und einer höheren Periimplantitisprävalenz (Roccuzzo et al. 2022). Ein ungünstiges prothetisches Design mit überkonvexen Emergenzprofilen oder schwer zugänglichen Reinigungsflächen begünstigt ebenfalls die Dysbiose (Doornewaard et al. 2022).
Modifizierende Faktoren wie okklusale Überlastung sind in der Literatur umstritten: Während Assoziationen zu marginalem Knochenverlust beschrieben sind (Isidor 2006), ist ein kausaler Zusammenhang mit Periimplantitis nicht abschließend belegt.
Prävention
Die Prävention periimplantärer Erkrankungen lässt sich in drei Ebenen gliedern.
„Primärprävention“ umfasst die systematische Erfassung und Reduktion patientenspezifischer Risiken. Parodontale Erkrankungen müssen vor Implantation stabilisiert sein (Tonetti & Sanz 2023). Raucherentwöhnung und Blutzuckerkontrolle sind entscheidende Maßnahmen. Auf chirurgisch-prothetischer Ebene ist auf hygienefreundliche Emergenzprofile, polierbare Oberflächen und striktes Zementmanagement zu achten. Der Einsatz von Schraubverbindungen reduziert das Risiko, Zementreste im Sulkus zu belassen. Weichgewebsmanagement mit dem Ziel einer suffizienten Breite keratinisierter Mukosa wird von mehreren Studien als vorteilhaft beschrieben (Roccuzzo et al. 2022).
„Sekundärprävention“ bedeutet, periimplantäre Mukositis frühzeitig zu erkennen und die Progression zu verhindern. Dazu gehören risikoadaptierte Recall-Intervalle (alle 3–6 Monate), professionelle Biofilmkontrolle mittels Airflow oder PEEK-Curetten sowie standardisierte Sondierungs- und Röntgenkontrollen. Patientencompliance ist hierbei der Schlüssel: Studien zeigen, dass fehlende Nachsorge mit einer deutlich höheren Prävalenz von Periimplantitis assoziiert ist (Monje et al. 2021).
„Tertiärprävention“ adressiert die Phase nach erfolgreicher Periimplantitistherapie. Engmaschige supportive Betreuung reduziert das Rezidivrisiko signifikant.
Fazit
Die Prävention der Periimplantitis erfordert ein multifaktorielles Konzept. Während Biofilm als primärer Auslöser gilt, müssen systemische, lokale und iatrogene Risikofaktoren gleichermaßen berücksichtigt werden. Ein konsequentes Risikomanagement, sorgfältige prothetische Planung, adäquates Weichgewebsmanagement und eine strukturierte Nachsorge sind die zentralen Strategien, um Implantate langfristig erfolgreich und komplikationsfrei zu führen.
Literatur (Auswahl)
- Berglundh T, Armitage G, Araujo M, et al. (2018). Peri-implant diseases and conditions: Consensus report. J Clin Periodontol.
- Derks J, Tomasi C. (2015). Peri-implant health in Europe – prevalence, incidence and risk factors. J Clin Periodontol.
- Sanz M, Schwarz F, et al. (2020). Peri-implantitis: Consensus and S3 Guideline. J Clin Periodontol.
- Heitz-Mayfield L, Salvi G. (2022). Peri-implant mucositis and peri-implantitis. Periodontol 2000.
- Monje A, Caton JG. (2017). Risk indicators for peri-implantitis: Diabetes and glycemic control. J Dent Res.
- Wilson TG. (2009). The positive relationship between excess cement and peri-implant disease. J Periodontol.
- Linkevicius T, et al. (2013). Prevention of cement-induced peri-implant disease. Clin Oral Implants Res.
- Roccuzzo A, et al. (2022). The role of keratinized mucosa in peri-implant health. Clin Oral Implants Res.
- Doornewaard R, et al. (2022). Implant surface roughness and peri-implantitis. Periodontol 2000.
- Tonetti M, Sanz M. (2023). EFP S3 Guideline: Prevention and treatment of peri-implant diseases. J Clin Periodontol.
- Monje A, et al. (2021). Supportive care after peri-implantitis treatment. Clin Oral Implants Res.
- Isidor F. (2006). Influence of forces on peri-implant bone. Clin Oral Implants Res.